Die Energiemärkte werden politischer (und volatiler)



Update: Unsere Einschätzung der Energiemärkte

  • Welche Hauptfaktoren sind fürden jüngsten Einbruch der Ölpreise verantwortlich?
  • Warum besteht keine Korrelation zwischen den Erdgas-und Erdölpreisen?
  • Welche Auswirkungen hat die veränderte Stimmung am Ölmarkt auf die Energiewerte in unserem Portfolio?
  • Wie sind wir positioniert?

Welche Hauptfaktoren sind für den jüngsten Einbruch der Ölpreise verantwortlich?

An den Ölmärkten herrscht wieder Volatilität, und unserer Ansicht nach wird dies auf kurze bis mittlere Sicht auch so bleiben. In den letzten fünf Wochen rutschten die Rohölpreise auf dem Weltmarkt von einem Vierjahreshoch in einen Bärenmarkt ab. Die Auslöser für diesen Preiseinbruch sind politische Massnahmen, die auf kurze Sicht die Angebotstransparenz trüben, und die Verschlechterung der weltweiten Konjunkturaussichten.

Wiekonnte es so schnell soweit kommen? Seit Anfang2016 waren an den Ölmärkten kräftige Preissteigerungen zu verzeichnen. Die Ölpreise profitierten vor allem von den Fördermengenkürzungen der OPEC+ (OPEC zzgl. andererStaaten, die keine OPEC-Mitglieder, aberan den weltweiten Abkommen zur Einschränkung der Ölförderung beteiligt sind) und einem günstigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld, das zu einer Verringerung der weltweiten Öllagerbestände führte. Dieses steigende Preisniveau wurde Anfang dieses Jahres durch die wiedereingeführten US-Sanktionen gegen den Iran, eines der weltgrössten Ölförderländer, weiter in die Höhe getrieben. Da mit dem Inkrafttreten der Iran-Sanktionen ab dem 5.November gerechnet wurde und die Mitgliedstaaten der OPEC+ seit Juni allmählichihre Fördermengen steigern, sodass nur begrenzte Kapazitätsreserven vorhanden sind (vgl. Abbildung1), waren die kurzfristigen Aussichten für die Ölpreise positiv. Noch vor einigen Wochen erwähnten Energieanalysten häufig Preise von 100USD oder mehr pro Barrel.

Abbildung1: Schätzungen der weltweiten Kapazitätsreserven

Quelle: Bloomberg, Oktober2018

Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen hat sich das Blatt bei der Ölpreisentwicklung jedoch gewendet. Während der Nebensaison, die durch steigende Öllagerbestände gekennzeichnet ist, machten die Mitgliedstaaten der OPEC+ eine Kehrtwende und gingen zur Maximalförderung über, wie ihnen von der US-Regierung nahegelegt worden war, um die negativen Auswirkungen der Iran-Sanktionen auf das Angebot zu mildern. Darüber hinaus versuchte die US-Regierung, vor den Wahlen die Ölpreise zu senken, indem sie Öl aus den strategischen Reserven freigab, den acht grössten Abnehmern iranischen Öls zeitweilige Ausnahmegenehmigungen erteilte und so perfekte Bedingungen für einen Rückgang der Rohölpreise schuf.

Plötzlich sind wir von einem Szenario, in dem das weltweite Ölangebot anfällig für Störfaktoren ist, wie geopolitische Risiken in Venezuela, Libyen, Nigeria oder dem Nahen Osten, und Kapazitätsengpässe in Kanada und den USA (sowieunvorhergesehenen Zwischenfällen in anderen Regionen) aufgrund der niedrigstenKapazitätsreserven der letzten zehn Jahre, zu einem weltweiten Ölmarkt mit reichhaltigem Angebot gewechselt, beidem die Aussicht besteht, dass grosse Ölimporteure wieder Öl aus dem Iran kaufen.

Diese politischen Massnahmen spiegeln sich in den Terminmarktnotierungenfür Öl (Abbildung2) wider. Sie haben sich von einer steil verlaufenden Backwardation (deutlich über den Terminpreisen liegende Kassapreise, was auf einen angespannten Ölmarkt hindeutet) zu einer relativ flachen Kurve mit Contango (unter den Terminpreisen liegende Kassapreise, was auf ein aktuelles Überangebot auf dem Markt hinweist) im vorderen Bereich verändert.

Abbildung2: Kurven für Rohöl der Sorte WTI zeigen unterschiedliche Preisschwankungen am vorderen und am langen Ende im Laufe des letzten Monats (blau) und während der letzten sec

Quelle: Bloomberg, 14.November 2018

Warum besteht keine Korrelation zwischen den Erdgas-und Erdölpreisen?

Zwischen der Förderung von Erdgas und von Erdöl besteht zwar ein gewisser Zusammenhang, aber die Nachfrage folgt unterschiedlichen saisonalen und langfristigen Mustern. Die saisonale Nachfrage nach Gas zieht gerade an, weil die winterliche Heizperiode beginnt, in der Kälteeinbrüche zum Ansteigen der Erdgaspreise führen können (vgl. Abbildung3). Darüber hinaus stellt die steigende Nachfrage nach Flüssigerdgas (LNG) einen langfristigen Aufwärtstrend dar; dank der neuen Umweltpolitik der chinesischen Regierung steigen die chinesischen Importe dieses Jahr um 40–50%. Erdgas ist ein fossiler Brennstoff, aber es verbrennt sauberer als Öl oder Kohle. Auch in anderen asiatischen Ländern und in Europa steigt die Nachfrage nach Flüssigerdgas. In Asien fördern die Regierungen einen Umstiegvon Kohle-oder Atomstrom auf andere Energieträger, während für Europa neben Umweltaspekten eine Diversifizierung zur Verringerung der Abhängigkeit von russischem Gas eine Rolle spielt. Die USA haben deutlich höhere Exportkapazitäten für Flüssigerdgas als für Erdöl, und es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Monaten weitere große Exportanlagen hinzukommen werden. Diese Faktoren dürften denDruck auf die US-Lagerbestände, die aktuell bereits 20% unter dem Niveau der letzten Jahre liegen (vgl. Abbildung4), weiter erhöhen und in den kommenden Monaten die Gaspreise stützen.

Abbildung3: Ölpreise(WTI, orangefarbene Linie, linke Skala) im Vgl. zu den Erdgaspreisen (gelbe Linie,rechte Skala)

Quelle: Bloomberg, 15.November 2018

Abbildung4: Verfügbare US-Lagerbestände an Erdgas, Milliarden Kubikfuss (5-Jahres-Zeitraum)

Quelle: Natixis, Bloomberg; Oktober2018

Welche Auswirkungen hat die veränderte Stimmung am Ölmarkt auf die Energiewerte in unserem Portfolio?

Wie bereits erwähnt, werden die Kassapreise wohl auf kurze bis mittlere Sicht volatil bleiben, wobei die Preisentwicklung von politischen Massnahmen, den Beschlüssen der OPEC+ bei ihren anstehenden Zusammenkünften, geopolitischen Risiken oder Lieferengpässen abhängig ist. Neben ihrer politischen Bedeutung werden US-Schieferölförderer immer wichtigere Grenzanbieter von Öl, die ihre Förderung vergleichsweise schnell nach oben oder unten anpassen können. Voraussichtlich wird Schieferöl in den nächsten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen. In unserem Basisszenario gehen wir weiter davon aus, dass die Ölpreise innerhalb ihrer Bandbreite bleiben, d.h. WTI zwischen 50-70USD pro Barrel und Brent demgegenüber 5-10USD höher notiert, da die Massnahmen der OPEC+ und die US-Schieferölförderung sich an den Rändernder besagten Bandbreite gegenseitig ausgleichen dürften.

Ein wichtigerer Faktor für Unternehmensbewertungen ist unserer Ansicht nach jedoch das lange Ende der Terminpreiskurve für Öl, das sich im vergangenen Monat als bemerkenswert stabil erwiesen hat und sogar höher notiertals vor sechs Monaten. Zahlreiche Explorations-und Fördergesellschaften reagieren nicht so sensibel auf Kassapreise, da sie sich gegen kurzfristige Schwankungen absichern, während ihre Investitionsentscheidungen und ihr Unternehmenswertvon den langfristigen Ölpreisprognosen abhängen.

Bei einer Betrachtung der langfristig erwarteten Ölpreise gilt es, das voraussichtliche Angebot und die voraussichtliche Nachfrage zu beurteilen. Vor rund vier Jahren beobachteten wir einen konjunkturbedingten Ölpreisrückgang, der durch technische Innovationen, insbesondere bei der Schieferöl-und Gasförderung, ausgelöst wurde. Dieser führte zu einer deutlichen Verringerung der weltweiten Öl-und Gasinvestitionen, vor allem ausserhalb der USA (vgl. Abbildung5). Die weltweiten Investitionenim Öl-und Gassektor sind zwar seit 2017 leicht gestiegen, doch wir befinden uns immer noch in der Anfangsphase der Erholung, in der viele Investitionsentscheidungen womöglich verschoben oder aufgegeben werden. Dies könnte in den nächsten Jahren zu einer Unterversorgung der Öl-und Gasmärkte führen. Wir sind überzeugt, dass diese Bedenken imHinblick auf das Angebot das lange Ende der Ölpreiskurve in den letzten Monaten nach oben verschoben und zu schwächer ausgeprägten Kursbewegungen bei Energiewerten geführt haben.

Abbildung5: Weltweite Investitionen in Öl und Gas

Quelle: Internationale Energieagentur

Wie sind wir positioniert?

In unseren Wandelanleihestrategien halten wir unverändert an unseren Investitionen in den grossen integrierten Ölgesellschaften wie Total, BP oder Enifest. Ihre Aktienkurse dürften ihre langfristig positive Dynamik behalten, denn die Unternehmen profitieren von hohen Margen bei der Raffinierung, der steigenden Nachfrage nach Flüssigerdgas sowie deutlich niedrigeren Investitions-und Förderkosten als noch vor einigen Jahren. Infolgedessen weisen sie gesunde Gewinnmargen auf und erwirtschaften ihre bis dato höchsten Cashflows. Um unter Umständen von den saisonalen Ausschlägen der Erdgaspreise profitieren zu können, behielten wir selektiv auch unsere Positionen in stärker auf Erdgas ausgerichteten Energieerzeugern bei. Ausserhalb des Energiesektors nahmen wir vor Kurzem Industriewerte und Reedereien ins Portfolio auf, die von der steigenden Nachfrage nach Flüssigerdgas und den wachsenden Exportkapazitäten profitieren. Ferner kauften wir selektiv Chemie-unternehmenzu, für die niedrigere Ölpreise entsprechendgeringere Inputkosten bedeuten dürften.

Im Gegenzug reduzierten wir aufgrund der zunehmenden Unsicherheit im Hinblick auf künftige Investitionen im Energiesektor unsere Positionen in Energieerzeugern und Dienstleistern für die Ölindustrie mit CCC-Rating.

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