Die Renditen von Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-(IG)-Rating haben sich innerhalb von nur 15 Monaten vervierfacht. Geschuldet ist dies nicht nur der Zinswende, sondern auch den Verwerfungen bei den Risikoprämien. Diese liegen angesichts der Unsicherheit im Ukrainekonflikt derzeit wieder deutlich über ihrem langjährigen Durchschnitt. Wirft man einen Blick auf die fundamentale und technische Verfassung des Marktes, zeichnet sich hier unserer Ansicht nach eine interessante Einstiegsmöglichkeit ab.
Die währungsgesicherte Rendite in Euro des Barclays Global Agg Corporate Index fiel zum Ende des Pandemiejahrs 2020 auf rund 0.5%. Die Aussicht auf die anstehende geldpolitische Straffung führte letztes Jahr zu einem Anstieg der Rendite auf 1.2% per Ende 2021. Nur zweieinhalb Monate später liegt dieselbe Rendite bei 2.0%. Seit Jahresbeginn hat der IG Corporate Index einen Verlust von -7.5% erlitten (per 16. März). Obwohl rund zwei Drittel davon durch den Zinsanstieg erklärt werden können, erstaunt es doch, dass der Verlust höher ausfiel als im High-Yield-Markt (-6%). Und dies ist sogar der Fall, wenn man den Zinseffekt in beiden Märkten ignoriert. Tatsächlich haben die Risikoprämien von IG-Unternehmensanleihen deutlich sensibler reagiert, als man das im Vergleich zu anderen Kreditmarktsegmenten erwarten würde.
Laut einer Berechnung von J.P. Morgan reflektieren IG-Spreads derzeit eine Rezessionswahrscheinlichkeit von rund 50% und zeichnen somit ein deutlich pessimistischeres Bild als dies im High-Yield-Segment mit nur rund 20-30% der Fall ist. Damit haben die IG-Spreads aus unserer Sicht ein Niveau erreicht, welches das Verhältnis von Chancen und Risiken für IG-Investoren nun deutlich positiver aussehen lässt.
Wir fühlen uns insbesondere dadurch ermutigt, dass IG-Unternehmen fundamental sehr stark aufgestellt sind. Gerade in Zeiten des globalen Rohstoffpreisanstiegs braucht ein Unternehmen solide Margen und/oder eine starke Marktposition, um die Kreditqualität zu erhalten. Das IG-Segment bietet eine breite Auswahl an Unternehmen, die aufgrund ihrer Marktstellung und Preissetzungsmacht selbst eine Durststrecke, wie sie in den kommenden Jahren durchaus vorkommen könnte, gut überstehen können. Die gerade erst bewältigte Corona-Krise hat die Widerstandsfähigkeit dieser Firmen eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Möglicherweise kamen die IG-Anleihen auch aufgrund ihrer hohen Liquidität, etwa im Vergleich zum High-Yield-Segment, unter Druck und wurden quasi Opfer ihrer guten Qualität. Dennoch bleibt die hohe Liquidität ein positives Merkmal dieser Anleihen, da nur eine gute Marktliquidität ein aktives Nutzen von Alpha-Chancen ermöglicht.
Technisch dürften IG-Anleihen in der nächsten Zeit Aufwind erfahren durch Käufe von grossen institutionellen Anlegern. Die steigenden Renditen sorgen für eine massive Verbesserung beim Deckungsgrad von Vorsorgeinstituten. Durch eine Umschichtung beispielsweise von Aktien in Anleihen könnte dieser längerfristig fixiert werden. Vorsorgeinstitute sind im Anleihemarkt breit aufgestellt, doch der Grossteil der Allokation fliesst in hochqualitative und liquide Instrumente, wie sie der IG-Unternehmensanleihenmarkt bietet.
In der aktuellen Situation, welche nach wie vor von massiven geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken überschattet wird, positionieren wir uns primär in Anleihen aus Übersee, insbesondere von Schuldnern aus Nordamerika. Dabei bevorzugen wir die Sektoren Energie und Medien, welche derzeit von einem starken Fundamentalbild und attraktiven Bewertungen profitieren. Vorsichtig sind wir in Sektoren, die zukünftig unter steigenden Rohstoffpreisen oder den gestiegenen Zinsen leiden dürften, wie beispielsweise das Transportwesen, die Stromversorger und der Immobiliensektor. Wir überprüfen jedoch fortlaufend und über alle Sektoren hinweg, ob wir Instrumente mit ungerechtfertigten Korrekturen oder Unterbewertungen identifizieren können, wie sie in Krisenzeiten häufig vorkommen. Da derartige Verwerfungen allerdings erfahrungsgemäss nicht lange anhalten und auch von anderen Marktteilnehmern als attraktiv angesehen werden, ist eine zügige Entscheidungsfindung derzeit absolut zentral.