Vor rund drei Monaten veröffentlichten wir unseren Ausblick zur Anlageklasse der Schwellenländer-Unternehmensanleihen für das Jahr 2021. Was hat sich seitdem getan? Hat sich an unseren Einschätzungen etwas Wesentliches geändert? Da das Ende des ersten Quartals rasch näher rückt, möchten wir diese Gelegenheit nutzen, auf einige unserer Vorhersagen zurückzublicken und unsere Prognose zu aktualisieren.
Vieles hat sich grundsätzlich den Erwartungen entsprechend entwickelt, wenn auch in einigen Fällen wesentlich schneller als gedacht. Der Zinsanstieg verlief abrupt und ging zu Lasten der Gesamtrendite, aber wie nachstehend erörtert, halten wir das Potenzial für eine weitere Versteilerung der Zinskurve in nächster Zeit für begrenzt. Die Credit Spreads haben sich seit Jahresanfang erheblich verengt und nähern sich teilweise einer fairen Bewertung an, sodass weniger Spielraum für eine weitere deutliche Verengung besteht. Uns ist es dennoch wichtig zu betonen, dass die wesentlichen Stärken dieser Anlageklasse – attraktive Risikoentschädigung, starke Fundamentaldaten, verhältnismässig niedrige Duration – auch zum jetzigen Zeitpunkt unverändert bestehen bleiben oder sogar in noch stärkerem Masse zutreffen als bisher schon.
- Der sprunghafte Anstieg der Zinsen – eine potenzielle Herausforderung, mit der wir uns in unserer Prognose vom Dezember eingehend befasst hatten – erfolgte schneller und heftiger, als die meisten erwartet hatten. Grosszügige Konjunkturpakete und geldpolitische Anreize lassen im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation mit den pandemiebedingten Lockerungen eine beschleunigte Inflation befürchten. Vor diesem Hintergrund verharren die Realzinsen aber trotz der jüngsten Versteilerung der Zinskurve stabil im negativen Bereich und die Nominalzinsen auf historischen Tiefständen. Auch wenn eine noch steilere Zinskurve auf den ersten Blick möglich erscheinen mag, sollte man zwei Punkte im Gedächtnis behalten:
Erstens, wie Fed-Präsident Jerome Powell betonte, ist die Lage am Arbeitsmarkt immer noch angespannt. Die Beschäftigungssituation ist weiterhin stark beeinträchtigt, und nach wie vor besteht hohe Unsicherheit bezüglich der Geschwindigkeit der Erholung. Die grösseren Zentralbanken üben sich weiter in Zurückhaltung und haben in einigen Fällen bereits Andeutungen über potenzielle Reaktionen im Falle einer massiven Marktschwäche gemacht. Zweitens verlaufen die Zinskurven anderer wichtiger Währungen immer noch wesentlich flacher, und Währungsabsicherungen auf Grundlage der kurzfristigen Zinsen bleiben vergleichsweise kostengünstig. Die Renditen währungsgesicherter US-Treasuries haben sich folglich für ausländische Anleger beträchtlich verbessert und sorgen für einen gewissen Ausgleich. Letztendlich behalten wir die Zinsentwicklung und potenzielle Volatilität weiterhin genau im Auge. - Im Gegensatz zu den Zinsen ist die Risikobereitschaft insgesamt grundsätzlich positiv geblieben. Die Spreads der Schwellenländer-Unternehmensanleihen haben sich grösstenteils trotz einzelner Volatilitätsschübe als widerstandsfähig erwiesen und sich seit Dezember in allen Regionen erheblich eingeengt. Der Kreditertrag von Unternehmensanleihen ist in allen Ratingsegmenten positiv, wobei das niedriger bewertete Segment vorne liegt, weil es besonders vom günstigen Finanzierungsumfeld für Emittenten von Hochzinsanleihen und hohen Rohstoffpreisen profitiert.
Grafik 1: JPM CEMBI BD IG (links) und JPM CEMBI BD (rechts) – Spreads seit 01.12.2020
Quelle: JP Morgan, Februar 2021
- Auch das allgemeine technische Umfeld erweist sich nach wie vor als ausgesprochen robust. Die Kapitalzuflüsse spiegeln erwartungsgemäss die starke Nachfrage nach dem attraktiven Carry und der vergleichsweise niedrigen Duration von EM Corporates wider, was gut zum voraussichtlich moderaten Neuemissionsvolumen passt. Da die Renditen in den Industrieländern selbst nach der jüngsten Versteilerung auf niedrigem Niveau verharren, rechnen wir in absehbarer Zukunft mit einer weiterhin soliden Cross-over-Nachfrage nach EM Corporates von Investoren, die typischerweise eher in den Industrieländern anlegen.
Was Neuemissionen anbelangt, wird das Nettovolumen voraussichtlich überschaubar bleiben, wobei der grösste Teil der Nettofinanzierung aus Asien kommt, wo die lokale Anlegerbasis weiterhin für Unterstützung sorgt. In den übrigen Regionen, insbesondere Osteuropa und Lateinamerika, geht das Emissionsvolumen weiter zurück. Ausserdem hat die Anzahl der als nachhaltig eingestuften (ESG) Emissionen bei EM Corporates in diesem Jahr stark zugenommen, was wir als positive Entwicklung in dieser Anlageklasse sehen. Allerdings differenzieren wir zwischen den ESG-Strukturen und bevorzugen nachhaltigkeitsgebundene Anleihen mit klar nachvollziehbaren Zielvorgaben (KPIs) gegenüber gewöhnlichen „grünen“ Anleihen.
- Hinsichtlich der Bewertungen halten wir High-Yield EM-Unternehmensanleihen für besonders attraktiv und sehen Potenzial für eine weitere Spread-Einengung. Das sich verbessernde Konjunkturumfeld und die typisch niedrige Duration in diesem Bereich sind eine sinnvolle Kombination in einem inflationären Umfeld. Im Vergleich dazu halten wir Investment-Grade-(IG) Anleihen aus Schwellenländer für teurer bewertet, nachdem sich die Spreads in 12 von 23 Ländern im Vergleich zum Jahresende 2019 bereits verengt haben. Im IG-Bereich bevorzugen wir Anleihen mit höheren Spreads, die in gewissem Masse auch einen Puffer gegen steigende Zinsen bieten. Gleichzeitig lassen wir bei Anleihen mit längerer Duration Vorsicht walten und erkennen derzeit insbesondere in gewissen Ländern von besonders hoher Qualität ein begrenztes Wertsteigerungspotenzial. Gleichzeitig möchten wir dennoch auf die relative Attraktivität der Spreads von IG-Unternehmensanleihen aus Schwellenländern auf durationsadjustierter Basis, verglichen mit anderen Assetklassen, hinweisen. Der Spreadaufschlag zwischen EM IG-Unternehmensanleihen und solchen aus den USA ist höher als vor der Covid-Pandemie, während die Durationslücke so gross ist wie nie zuvor. Auch wenn EM Corporates stets eine deutlich niedrigere Duration im Vergleich zu IG-Staatsanleihen aus Schwellenländern und IG Corporates aus den USA aufwiesen, hat sich die Durationslücke in den vergangenen drei Jahren beträchtlich ausgeweitet.
Grafik 2: Modifizierte Duration von EM Corporates (JPM CEMBI BD IG), EM-Staatsanleihen (JPM EMBIG) und US-Investment-Grade-Anleihen seit Dezember 2015
Quelle: JP Morgan, Dezember 2020
Grafik 3: Wertentwicklung CEMBI BD IG gegenüber EMBIG IG, US IG seit Dezember 2020
Quelle: JP Morgan, Februar 2021
- Rohstoffe, den Prognosen zufolge eines der grossen Themen des Jahres 2021, legten durchweg stark zu. Öl und petrochemische Produkte, Metalle wie Kupfer und Eisenerz sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Sojabohnen und Mais, verzeichneten jeweils Zugewinne im zweistelligen Prozentbereich. Wie wir erwähnt hatten, sorgt die Wichtigkeit der Rohstoffe für viele Schwellenländerunternehmen und gar ganze Volkswirtschaften dafür, dass ein Grossteil unseres Investment-Universums auf makroökonomischer oder unternehmensspezifischer Seite einen Rückenwind erhält. Obwohl in einigen Fällen Lieferengpässe zum Anstieg der Preise beigetragen haben, ist unseres Erachtens das Umfeld für die meisten Rohstoffe immer noch günstig.
- Den veröffentlichten Unternehmensergebnissen für das vierte Quartal und den aktuellen Management-Updates entnehmen wir, dass sich die Fundamentaldaten in unserem Anlageuniversum weiter verbessern. Das zweite Halbjahr hat die Erwartungen zahlreicher Unternehmen übertroffen. Anders als vergleichbaren Unternehmen in den Industrieländern ist es jenen in den Schwellenländern gelungen, ihre Bruttoverschuldung nicht wesentlich zu erhöhen und damit eine weitere Zunahme des Fremdkapitalanteils zu begrenzen. Solange sich die Umsätze und Margen im Zuge der wirtschaftlichen Normalisierung verbessern, dürften sich die Fundamentaldaten weiter erholen und ihrem Niveau vor der Covid-Krise annähern.
Grafik 4: Net Leverage von Investment-Grade-Unternehmen aus den EM, den USA und Europa seit 2009
Quelle: JP Morgan, Dezember 2020
Grafik 5: Net Leverage von High-Yield-Unternehmen aus den EM, den USA und Europa seit 2009
Quelle: JP Morgan, Dezember 2020
- Einige Entwicklungen, mit denen wir uns in unserem vorigen Ausblick befasst hatten, hatten (bislang) noch keine wesentlichen Auswirkungen auf unser Anlageuniversum. Obwohl das Rating von Panama herabgestuft wurden, reagierte der Markt verhältnismässig diszipliniert. Ausfälle von Onshore-Anleihen in China machen weiterhin Schlagzeilen, aber die Fähigkeit der Regierung, fiskal- und geldpolitische Anreize zu setzen, ist nach wie vor hoch, und die chinesischen Konjunkturdaten bleiben weitgehend solide. Das Verhältnis zwischen den USA und China hat sich unter der Regierung Biden bereits erheblich stabilisiert, auch wenn bisher weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung abzusehen ist. Wir gehen davon aus, dass die Beziehung angespannt bleibt, da die strategische Rivalität wahrscheinlich bestehen bleiben wird. Andere wichtige geopolitische Probleme sind unter anderem die Sanktionen der EU und USA gegen Russland, die sich bisher jedoch nur verhältnismässig wenig in unserem Universum bemerkbar gemacht haben.