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FischView

Monatliches Update – April 2023


von


Beat Thoma,
Chief Investment Officer

T +41 44 284 24 03

Geldpolitische Gratwanderung der Zentralbanken

Zusammenfassung

  • Das US-Bankensystem erlebt derzeit einen massiven Liquiditätsstress, der sich zunehmend global ausbreitet. Die Märkte stellen die Systemstabilität immer mehr in Frage.
  • Hauptgrund für die Unruhen ist allerdings die restriktive Geldpolitik und nicht die insgesamt noch sehr soliden Bankbilanzen.
  • Die Bankenkrise führt zu stark rückläufiger privater Geldschöpfung und verstärkt dadurch die negative Wirkung der restriktiven Zentralbankpolitik.
  • Es droht eine Abwärtsspirale mit sich gegenseitig verstärkenden negativen Rückkopplungen auf die Liquiditätsversorgung und die Konjunktur.
  • Die Fed und die EZB sind aufgrund anhaltend hoher Inflation gezwungen, ihre restriktive Geldpolitik trotz der Bankenkrise fortzuführen.
  • Die massive Notfall-Liquidität hilft kurzfristig, führt aber zu steigenden Inflationserwartungen.
  • Der Handlungsspielraum der Notenbanken nimmt damit ab. Die Risiken an den Finanzmärkten überwiegen weiterhin. Eine liquiditätsgetriebene Zwischenrally ist möglich.

Wesentliche Änderungen gegenüber dem Vormonat

  • Trotz schnellen, umfassenden und wirksamen Stabilisierungsmassnahmen der Notenbanken bei der angeschlagenen Silicon Valley Bank und der Credit Suisse breitet sich die aktuelle Vertrauens- und Liquiditätskrise auf andere Banken aus. Beispielsweise kommen verschiedene US-Regionalbanken, aber auch einzelne Banken in Europa, zunehmend unter Druck.
  • Der Grund für die Bankenkrise und den allgemeinen Liquiditätsstress ist die seit langem global äusserst restriktive Geldpolitik. Die Bankbilanzen und Kapitalausstattungen sind dagegen mehrheitlich äusserst solide. Hier ist die Lage in keiner Art und Weise mit der Finanzkrise von 2008 zu vergleichen. Trotzdem kann eine geldpolitisch induzierte Liquiditätsverknappung selbst bei gesunden Finanzinstituten jederzeit zu einem „Bank-Run“ und damit schnellen Einlagenabflüssen führen. Dabei ist die Ansteckungsgefahr für das gesamte System gross.
  • Es besteht in diesem Umfeld zudem die Gefahr einer beschleunigten Liquiditätskrise aufgrund von Rückkopplungseffekten: Der Mittelabfluss bei den Banken führt zu rückläufiger Kreditvergabe und damit zusätzlichem Liquiditätsrückgang sowie einer konjunkturellen Dämpfung. Die Zentralbanken können diese private Geldmengenvernichtung nicht direkt beeinflussen, was die Situation potenziell gefährlich macht.
  • Die Zentralbanken haben das System bisher mit massiver Notfallliquidität erfolgreich stabilisiert und Rückkopplungen sowie eine weitere Ausbreitung der Krise verhindert. Damit werden aber gleichzeitig auch das konjunkturelle Wachstum, der Inflationsdruck und insbesondere die Inflationserwartungen angeregt. Daraus ergibt sich eine äusserst schwierige Gratwanderung für die Geldpolitik. Folglich wird die System- und Geldwertstabilität immer stärker in Frage gestellt, worauf auch deutlich steigende Gold- und Bitcoin-Preise hindeuten.

Aktuelle Lage und Positionierung

  • Verschiedene wichtige konjunkturelle Frühwarnindikatoren (Conference Board Economic Leading Indicators, Zinskurven) haben sich bereits seit längerem deutlich abgeschwächt und dürften aufgrund der aktuellen Bankenkrise bald noch weiter fallen. Der US-Arbeitsmarkt zeigt zudem erste Schwächesignale. Dies dürfte auch den bisher relativ moderaten Inflationsrückgang beschleunigen.
  • Trotzdem ist aber das derzeitige Abkühlungstempo noch zu langsam, um eine geldpolitische Lockerung oder gar Zinssenkungen zu erlauben. Insbesondere wirkt hier, wie bereits erwähnt, die Notfall-Liquidität der Notenbanken inflationär und konjunkturstützend, was paradoxerweise eine monetäre Lockerung zusätzlich verzögert.
  • Damit dürfte die restriktive Geldpolitik zu nochmals fallenden Geldmengen führen, bei gleichzeitig abnehmender Geldschöpfung im privaten Kreislauf. Und sobald sich das Bankensystem deutlich stabilisiert hat, werden auch die Notfall-Liquidität und die Notenbankbilanzen wieder reduziert (siehe auch „Themen auf dem Radar“).
  • Damit besteht weiterhin eine für die Aktien- und Kreditmärkte schwierige Kombination aus abkühlender konjunktureller Dynamik und rückläufigen Unternehmensgewinnen bei gleichzeitig restriktiver Geldpolitik und abnehmender Liquidität. Die Risiken überwiegen damit die Chancen. Wobei hier keine „schnelle Rettung“ in Sicht ist, da der Handlungsspielraum der Notenbanken stark eingeschränkt ist. Zudem ist aktuell eine baldige Lockerung der Geldpolitik in den Kursen eingepreist, was zusätzlich zu Enttäuschungen führen kann.
  • Bei langfristigen Staatsanleihenzinsen besteht in diesem Umfeld nur ein sehr moderater Aufwärtsdruck, da die deflationäre Geldpolitik, die Gefahr eines Wiederaufflackerns der Bankenkrise sowie eine schwächere Konjunktur einen Zinsanstieg dämpfen und mittelfris-tig sogar wieder, über eine Flucht in Qualität, zu tieferen Sätzen führen können.
  • Wir positionieren uns deshalb bei Wandelanleihen, Aktien und High-Yield-Anleihen aus Industriestaaten weiterhin vorsichtig. Eine kurzfristige Zwischenrally ist dagegen sehr gut möglich, da die Investorenstimmung mittlerweile sehr pessimistisch ist und die Notfall-Liquidität der Notenbanken jederzeit ein Strohfeuer auslösen kann.
  • Im Investment-Grade-Segment und auch in den Emerging Markets ist das Umfeld dagegen aufgrund der konjunkturellen Stabilisierung in China sowie dem beschränkten Zinssteigerungspotenzial am langen Ende der Zinskurven leicht freundlicher.

Themen auf dem Radar

Die Fed musste den seit April 2022 laufenden Abbau ihrer Bilanz (zur Normalisierung der damals sehr lockeren Geldpolitik) aufgrund des Zusammenbruchs der Silicon Valley Bank (SVB) und der sich danach auch global schnell ausbreitenden Bankenkrise unterbrechen. Dabei wurden mehr als die Hälfte der bisher reduzierten Gelder als bilanzwirksame Notfall-Liquidität wieder in das Bankensystem eingeschossen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Abbau der Fed-Bilanz der eigentliche Grund für den Liquiditätsstress im System war.

Allerdings ist zu beachten, dass der Verkauf von US-Staatsanleihen und damit das Quantitative Tightening (QT) durch die Fed unverändert weitergeht. Der daraus resultierende kontinuierliche Bilanzabbau von 95 Milliarden US-Dollar monatlich wird jetzt lediglich temporär durch den Aufkauf kurzfristiger Wertpapiere als Liquiditätsspritze überlagert.

Sobald sich das Bankensystem wieder nachhaltig stabilisiert, wird diese Notfall-Liquidität dem System wieder entzogen und damit die Bilanz wie geplant weiter reduziert. Und hier besteht das eigentliche Dilemma der Fed: Der Bilanzabbau ist notwendig, um die Inflation und insbesondere die Inflationserwartungen unter Kontrolle zu halten. Gleichzeitig führt der damit verbundene Liquiditätsentzug aber zu massiven Problemen im globalen Bankensystem. Deshalb kann sowohl eine Lockerung der Geldpolitik als auch eine anhaltende Straffung zu ungewollten Marktreaktionen führen.

Der jüngste starke Anstieg der Gold- und Bitcoin-Preise ist deshalb ein Hinweis auf abnehmendes Vertrauen in die System- und Geldwertstabilität aufgrund von zu viel Notfall-Liquidität. Die Bankenkrise selbst ist dagegen ein Signal von zu wenig Liquidität. Deshalb befindet sich die US-Notenbank (und auch andere Zentralbanken) auf einer äusserst schmalen monetären Gratwanderung.

Chart: Sehr viel Notfall-Liquidität zur Eindämmung der Bankenkrise

Quelle   Federal Reserve Bank of St. Louis

Hinweise zu den Tabellen:

Hinweise zu den Tabellen: Änderungen zum Vormonat werden durch ↓ oder ↑ angezeigt. Z.B. bedeutet “O ↓”, dass das Feld im Vormonat mit “+” oder „++“ belegt war. Die genaue Methodologie, d.h. wie die Modellergebnisse berechnet werden und wie die verschiedenen Einzelelemente zur Gesamtsicht beitragen, wird hier erklärt. Bei den Staatsanleihen berücksichtigen wir die wichtigsten Anleihen jeder Region, z.B. Deutsche Bundesanleihen in Europa, sowie eine repräsentative Gruppe von Ländern jeweils in Lateinamerika, Asien ex-Japan und CEEMEA (Zentral- und Osteuropa, Naher Osten und Afrika).

Beat Thoma,
Chief Investment Officer

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