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FischView
Monatliches Update – April 2025
von Beat Thoma
Global explodierende Staatsverschuldung
Zusammenfassung
- Das aktuelle Umfeld ist zwischen einer potenziell deflationären Wirtschaftspolitik in den USA bei einer gleichzeitig inflationären Ausweitung der Staatsschulden in Europa und China geprägt.
- Wir bleiben sowohl bei der Duration als auch beim Risikoexposure weiterhin in einer neutralen Bandbreite positioniert.
- Mittelfristig sehen wir jedoch infolge global steigender Staatsverschuldung Aufwärtsdruck bei den langfristigen Staatsanleihenrenditen – auch in den USA, solange die Verschuldung noch weiter ansteigt.
Wirtschaftliche Gesamtsituation
Aufgrund der geplanten historischen Ausgabensteigerung für Verteidigung und Infrastruktur in Europa, die zumindest teilweise über die Notenpresse der EZB finanziert werden wird, ist mit starken konjunkturellen, aber auch inflationären Impulsen zu rechnen. Dieser Trend wird zusätzlich durch die gerade angekündigten «rigorosen Stimulierungsmassnahmen» der Chinesischen Regierung global verstärkt. Interessanterweise arbeitet die US-Regierung und ihr Finanzminister Scott Bessent derzeit genau in die entgegengesetzte Richtung und plant eine «Detox-Kur» für die USA.
Aktuelle Entwicklungen: «Detox-Kur» für die US-Wirtschaft
- Scott Bessent hat eine Entgiftungskur für die US-Wirtschaft angeordnet und meint damit vor allem weniger Staatsausgaben und eine Reduktion des Budgetdefizits. Das Ziel dieser Massnahme sind tiefere langfristige Staatsanleihenrenditen, selbst unter Inkaufnahme temporärer Schmerzen in Form eines schwächeren Aktienmarktes oder gar einer Rezession.
- Die tieferen Renditen werden gemäss Bessent mittelfristig wieder zu mehr Wachstum und höheren Aktienkursen führen, und das ohne Hilfe der Notenbank. Damit ist das Vorgehen der neuen US-Regierung ein erstaunlicher und radikaler Wechsel der nicht nachhaltigen Ausgabenpolitik seit Beginn der Corona-Pandemie. Eine vergleichbare «Rosskur» fand zuletzt 1980 - 82 unter dem damaligen Fed-Präsidenten Paul Volker statt.
- Europa erhöht dagegen die Staatsverschuldung massiv, um Verteidigungsausgaben und Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Insbesondere Deutschland hat hier grosses Aufholpotenzial gegenüber Frankreich und Italien. Bei Unruhen am Staatsanleihenmarkt wird die EZB aber beruhigend eingreifen.
Einschätzung & Ausblick: Global gegensätzliche Kräfte
- Die neue US-Regierung unter Präsident Trump und Finanzminister Bessent riskiert ganz bewusst eine schwächere Konjunktur und allenfalls auch stärker fallende Aktienmärkte, um die Staatsverschuldung, die langfristigen Renditen und die Inflation unter Kontrolle zu bringen. So wird insbesondere auch kein Druck auf die Notenbank ausgeübt, die Geldpolitik zu lockern. Das ist mittelfristig zusammen mit einer Deregulierungswelle zwar sehr nachhaltig, kann aber kurzfristig zu hoher Volatilität bei «Risky Assets» sowie temporären Liquiditätsengpässen und damit Stress an den Geldmärkten führen. Diesbezügliche Risiken sollten nicht unterschätzt werden.
- Im Fall einer Rezession könnte sogar das Ziel tieferer langfristiger Renditen vorübergehend verfehlt werden, da tiefere Steuereinnahmen das Staatsdefizit trotz Ausgabenkürzungen nach oben treiben. Nachgelagerte Deregulierungen und Steuersenkungen würden dann das Defizit weiter erhöhen und erst mit grösserer Verzögerung zu einer Stabilisierung der Konjunktur führen können.
- In Europa ist die Ausgangslange vollständig entgegengesetzt zu den USA. Es ist eine massive Erhöhung der Staatsverschuldung, nicht nur in Deutschland, geplant. Dadurch werden umfangreiche Rüstungs- und Infrastrukturausgaben finanziert. Es handelt sich hier um enorme Beträge (Schätzungen gehen von mehr als 2000 Milliarden Euro in der Eurozone aus) über einen Zeitraum von zehn Jahren. Zudem dürfte die EZB einen Teil der neuen Schulden aufkaufen. Auch China verstärkt staatliche Stimulierungsprogramme und lockert die Geldpolitik.
- Insgesamt wirken somit auf globaler Ebene stark gegensätzliche Kräfte: In den USA tendenziell deflationär, renditedämpfend und liquiditätsmindernd und in Europa sowie China tendenziell inflationär, renditetreibend und liquiditätssteigernd. Damit ergibt sich sowohl für die globalen Aktien- als auch Staatsanleihenmärkte momentan eine Balance zwischen positiven und negativen Faktoren und deshalb auch neutrale kurzfristige Kurserwartungen. Dieses Gleichgewicht ist allerdings fragil und kann jederzeit kippen, wenn beispielsweise die deflationären Kräfte in den USA die Oberhand gewinnen sollten.
Chart: Bessents Deflationskurs trifft auf Europas Schuldenoffensive

Positionierung: Globale Liquidität stützt Finanzmärkte
- Das US-Finanzministerium ist fest entschlossen, die Ausgaben und damit die Staatsverschuldung massiv zu reduzieren und würde dafür eine Rezession und einen schwächeren Aktienmarkt tolerieren. Damit könnten bald starke Kräfte in Richtung tieferer langfristiger Staatsanleihenrenditen in den USA wirken. Den Ankündigungen müssen aber zuerst Taten folgen. Und es besteht die Gefahr, dass die geplanten Ausgabenkürzungen nicht in der gewünschten Grössenordnung realisiert werden können. Zudem reagieren die US-Staatsanleihenrenditen im Moment nicht stark auf schwächere Wirtschaftsdaten. Dies ist ein Zeichen kurzfristiger markttechnischer Schwäche. Insgesamt ist deshalb aktuell eine neutrale Positionierung angebracht.
- In Europa wirken zwar zu den USA entgegengesetzte Kräfte auf die Anleihenmärkte in Form geplanter steigender Verschuldung und einer etwas besseren Wirtschaftsentwicklung. Aber auch hier haben diese Kräfte noch lange nicht ihre volle Stärke entwickelt. Deshalb bleiben wir auch bei der Duration in einer neutralen Bandbreite positioniert. Für eine Abweichung von der neutralen Positionierung muss zunächst die Entwicklung der Inflation, der Staatsverschuldung und der Geldpolitik abgewartet werden.
- Für die Aktien- und Unternehmenskreditmärkte ist die Staatsverschuldung momentan weniger relevant als die globale Liquiditätsentwicklung. Und hier beobachten wir derzeit einen moderaten Anstieg, was grundsätzlich positiv für «Risky Assets» ist. Allerdings wächst derzeit der Refinanzierungsbedarf der Unternehmen und Staaten sehr stark an. Es drohen daher Liquiditätsengpässe ab Jahresmitte bis weit ins Jahr 2026 hinein. Diese müssten von den Notenbanken, insbesondere der Fed, rechtzeitig überbrückt werden, was auch sehr wahrscheinlich ist. Deshalb bleiben wir auch bei Aktien- und Unternehmensanleihen derzeit neutral positioniert. Hierfür beobachten wir verschiedene Liquiditätsfrühindikatoren wie die SOFR-Spreads, den japanischen Yen, die Staatsanleihenrenditen in Europa und den USA sowie das Quantitative Tightening Programm (QT) der Fed genau.
Zusammenfassung der FischView Modellergebnisse
USA | Europa | Japan | Asien ex-Japan | LatAm | CEEMA | Legende | |||
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Renditetreiber | |||||||||
Aktien |
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Staatsanleihen |
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Credit Inv. Grade (Spreads) |
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Credit High Yield (Spreads) |
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Gesamtrendite | |||||||||
Wandelanleihen |
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Credit Inv. Grade | |||||||||
Credit High Yield | |||||||||
Rohstoffe | Energie: | Edelmetalle: | Indu. Met: |
Hinweise zu den Tabellen:
Hinweise zu den Tabellen: Die Tabelle fasst die Modellergebnisse für die Gesamtrendite von Wandelanleihen und Credit Investment Grade sowie High Yield zusammen, welche eine Funktion der aufgelisteten Renditetreiber sind. Änderungen zum Vormonat werden durch ↓ oder ↑ angezeigt. Z.B. bedeutet “O ↓”, dass das Feld im Vormonat mit “+” oder „++“ belegt war. Die genaue Methodologie, d.h. wie die Modellergebnisse berechnet werden und wie die verschiedenen Einzelelemente zur Gesamtsicht beitragen, wird hier erklärt. Bei den Staatsanleihen berücksichtigen wir für Europa deutsche Bundesanleihen.
Anlageklassen-Präferenzen
Diese Tabelle kombiniert Top-Down-Perspektiven mit Bottom-Up-Analysen auf Portfolioebene.
Most preferred | Least preferred | |
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Wandelanleihen |
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Global Corporates IG |
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Global Corporates |
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Global High Yield |
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Emerging Market Corporates – Defensiv |
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Emerging Market Corporates – Opportunistisch, Dynamisch |
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Hinweis: Die bevorzugten bzw. am wenigsten bevorzugten Sektoren können sich je nach Anlageklasse aufgrund ihrer jeweiligen Performancetreiber unterscheiden. Insbesondere ist bei Wandelanleihen das Equity Exposure ein Schlüsselfaktor für die Wertentwicklung, während dieser Faktor für Unternehmensanleihen keine Relevanz besitzt.
Auf dem Radar: Europa im Schuldenrausch
Der in der Europäischen Union geplante massive Schuldenaufbau zur Finanzierung historisch einmaliger Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben dürfte allein in Deutschland zu einem Anstieg der Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von derzeit 64% auf geschätzte 85% führen. Auch in Italien und Frankreich ist ein weiterer deutlicher Anstieg von jetzt schon hohen 135% (Italien) beziehungsweise 111% (Frankreich) sehr wahrscheinlich.
Ohne Mithilfe der Europäischen Zentralbank (EZB) wäre in Deutschland mit einem spürbaren Anstieg der 10-jährigen Staatsanleihenrenditen von derzeit rund 2.8% auf ein Niveau von 3.5% bis 4% zu rechnen. In Italien könnten die Renditen von aktuell 3.8% auf 5% oder darüber hinaus steigen, in Frankreich von 3.5% auf 4.5% oder mehr. Ein solch deutlich höheres Renditeniveau würde vor dem Hintergrund stark angestiegener Schuldenstände eine besonders belastende Wirkung entfalten und die Zinszahlungen würden ein Ausmass erreichen, das sich nicht mehr allein über laufende Steuereinnahmen finanzieren liess.
Was kann und wer wird hier für Abhilfe schaffen? Selbstverständlich die Notenbanken. Die EZB hat bereits ihre Mithilfe angekündigt und folgt damit den Beispielen aus den USA, Japan, Grossbritannien und vielen anderen Staaten. Die angebotenen Staatsanleihen werden dabei im Fall von Nachfragemangel am Markt einfach von der Notenbank aufgekauft und damit das Renditeniveau gedämpft. Und die USA und insbesondere Japan (seit 1989) zeigen, dass das durchaus über sehr lange Zeiträume funktioniert, solange die Inflation einigermassen unter Kontrolle bleibt. Zudem besteht die Hoffnung, dass die hohen Staatsausgaben zu mehr Wirtschaftswachstum und damit zu höheren Steuereinnahmen führen, was das Defizit wieder verringern würde. Dieser Trick wurde allerdings bereits Anfang der 1980er-Jahre von US-Präsident Ronald Reagan und seinem Berater Arthur Laffer versucht, mit stark negativen Folgen: Die US-Staatsverschuldung explodierte damals regelrecht.
Weitere, wirksame Massnahmen um einen Renditeanstieg zu dämpfen wären die Verteilung der Ausgaben auf mehr als zehn Jahre und/oder Einsparungen im jährlichen Haushalt, so wie es die USA derzeit versuchen. Im Moment sieht es danach aus, als könnte ein sehr starker Renditeanstieg in Europa mit den geschilderten Massnahmen und zusammen mit der EZB zumindest verlangsamt werden.
Chart: Staatsschulden in Frankreich steigen wieder

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