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FischView

Monatliches Update – März 2023


von


Beat Thoma,
Chief Investment Officer

T +41 44 284 24 03

„Anti-Goldilocks“-Umfeld

Zusammenfassung

  • Die Finanzmärkte verhalten sich seit einiger Zeit wie in einem „Goldilocks-Umfeld“: Sie preisen ein moderates Wirtschaftswachstum, schnell fallende Inflation und eine baldige Lockerung der Geldpolitik ein.
  • Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Die Rezessionssignale häufen sich, die Inflation bleibt hartnäckig hoch und die Geldpolitik ist extrem restriktiv.
  • Die bisherige Straffung der Geldpolitik wurde teilweise durch die Geldschöpfung im privaten Bankensystem und Liquiditätsspritzen durch das US-Treasury kompensiert.
  • Diese Kompensation nimmt jetzt aber ab. Die straffe Geldpolitik dürfte deshalb bald deutlich stärker Wirkung zeigen mit entsprechenden Gefahren für die Konjunktur und die Börsen.
  • Ein fallendes Silber/Gold-Ratio sowie sich immer stärker abschwächende Häusermärkte deuten zwar auf eine konjunkturelle Abkühlung und abnehmenden Inflationsdruck hin.
  • Für eine schnelle geldpolitische Lockerung ist die Entwicklung aber zu langsam.
  • Insgesamt überwiegen weiterhin die Risiken an den Aktien- und High-Yield-Märkten. Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen profitieren dagegen vom nur noch moderaten Zinsaufwärtsdruck.

Wesentliche Änderungen gegenüber dem Vormonat

  • Die restriktive Geldpolitik der letzten Monate wurde durch eine Reihe von liquiditätssteigernden Effekten im privaten Banken- und Kreditsystem ausgeglichen: Geldschöpfung durch Kreditwachstum, Abbau von Überschussreserven und in den USA eine Verringerung des Treasury General Account (TGA) bei der Fed. Dies erklärt die bisher sehr moderaten Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik auf die Aktienmärkte und die Wirtschaft sowie die in letzter Zeit rückläufigen Stresssignale des NFCI-Stress-Index.
  • Alle diese Faktoren haben jedoch begonnen, sich global abzuschwächen. Die Bankreserven, die Reverse-Repo-Volumen sowie die Bankeinlagen sinken alle. Auch der TGA-Saldo ist mittlerweile tief und kann die Bilanzreduzierung der Fed und der anderen Notenbanken nicht mehr vollständig ausgleichen. Deshalb ist in absehbarer Zeit mit einer wesentlich stärkeren Wirkung der restriktiven Geldpolitik zu rechnen.
  • Auffallend sind auch die von den Notenbanken stark beachteten wieder leicht steigenden Inflationserwartungen sowohl auf ein Jahr wie auch auf fünf Jahre. Das ist potenziell gefährlich, da die Notenbanken damit länger an ihrem restriktiven Kurs festhalten.
  • Die langfristigen Staatsanleihenzinsen in den USA und in der Eurozone steigen wieder moderat an und reagieren damit auf die erwähnten höheren Inflationserwartungen. Die Abschwächungssignale verschiedener Konjunkturindikatoren und der sehr schwache Häusermarkt werden dagegen ignoriert. Dementsprechend fällt zumindest im Moment die normalerweise wirksame Konjunkturstabilisierung durch tiefere Zinsen weg. Insgesamt ergibt sich damit eine problematische Kombination aus steigenden Zinsen, auch am langen Ende, bei gleichzeitig nachgebender Konjunktur.
  • Seit kurzem entwickelt sich das konjunktursensitive Silber relativ schwächer zum Goldpreis. Damit werden die Rezessionsignale der wichtigen „Conference Board Leading Economic Indicators“ für die USA, Europa und Asien bestätigt. Die Abschwächung ist aber aktuell noch zu langsam und die Inflation zu hartnäckig, um eine schnelle geldpolitische Lockerung zu ermöglichen.

Aktuelle Lage und Positionierung

  • In einem klassischen Goldilocks-Umfeld besteht eine Kombination aus schwachem aber positivem Wirtschaftswachstum, tiefer Inflation und deshalb lockerer Geldpolitik. Dies ist äusserst positiv für die Aktien- und Kreditmärkte und nur moderat zinstreibend.
  • Die Finanzmärkte verhalten sich seit Jahresbeginn erstaunlicherweise wie in Goldilocks-Zeiten, obwohl aktuell, wie erwähnt, ein genau entgegengesetztes „Anti-Goldilocks“-Umfeld gegeben ist: Die Rezessionssignale häufen sich, die Inflation ist hartnäckig, die Inflationserwartungen steigen und die Geldpolitik ist historisch restriktiv. Damit nimmt die Spannung zwischen fundamentalen Realitäten und Markbewertungen weiter zu. Grund für die widerstandsfähigen Märkte dürften insbesondere die erwähnten Kompensationsfaktoren bei der Liquiditätsgenerierung im privaten Bankensystem sein.
  • Sobald diese Faktoren auslaufen, droht eine wieder verstärkte Wirkung der Geldpolitik sowie nicht-lineare Rückkopplungseffekte zwischen Wirtschaftsentwicklung, Aktienmärk-ten und einer schnell abnehmenden Liquidität. Die aktuell noch sehr zuversichtliche Marktstimmung könnte dann schnell umschlagen und zu hoher Volatilität führen.
  • Die Unternehmensgewinnmargen waren historisch bei fallender Inflation rückläufig. Grund ist eine Kombination aus stagnierenden Verkaufspreisen bei gleichzeitig hohen Lohnkosten. Dementsprechend ist die tiefere Inflation in den kommenden Monaten paradoxerweise negativ für die Unternehmen. Damit ergibt sich ein weiteres Warnsignal für die Aktien- und Kreditmärkte, und wir halten eine defensive Positionierung für weiterhin angebracht.
  • Bei den langfristigen Staatsanleihenzinsen wirken einerseits sowohl in den USA wie auch in Europa die stark deflationäre Geldpolitik und die sich abkühlende Konjunktur zinsdämpfend. Andererseits haben die steigenden Inflationserwartungen sowie die Staatsanleihenverkäufe der Zentralbanken (QT) zinssteigernde Effekte. Insgesamt ergibt sich damit ein neutrales Umfeld.
  • Ferner stellt das aktuelle Zinsniveau von risikolosen Staatsanleihen mit kurzen bis mittleren Laufzeiten in den USA um 5% und Europa um 3% eine zunehmende Konkurrenz für risikobehaftete Anlagen dar. Die Attraktivität von risikobehafteten Anlagen nimmt deshalb relativ zu Staatsanleihen ab, was entsprechend zu Umschichtungen führen dürfte.

Themen auf dem Radar

Die folgende Grafik zeigt einen Rückgang der Bankeinlagen von Kunden (Deposits) im US-Bankensystem. Das ist eine Folge der restriktiven Geldpolitik der Fed: Die höheren Zinsen auf kurzfristigen Staatsanleihen und Geldmarktpapieren führen zu einer Umallokierung von Kundengeldern. Bankguthaben werden in Wertpapiere mit höherem Ertrag investiert.

Dieser Abfluss von Kundeneinlagen erschwert es den Banken, Kredite zu vergeben und entspricht ganz allgemein einer verminderten Geldschöpfung durch das private Bankensystem und einer Liquiditätsverminderung an den Finanzmärkten. Es kam seit mehr als 50 Jahren zu keinem vergleichbaren Rückgang von Bankeinlagen, nicht einmal in der Finanzkrise 2008/2009.

Auch andere wichtige Liquiditätsquellen (Bankreserven bei der Notenbank, TGA, Reverse Repo Anlagen) trocknen derzeit immer mehr aus. Deshalb kann die Geld- und Liquiditätsschöpfung des privaten Bankensystems immer weniger die restriktive Geldpolitik und den Bilanzabbau der Fed kompensieren. Die Geldpolitik wird dementsprechend wirksamer als in den vergangenen Monaten und dürfte deshalb sowohl bei der Konjunkturentwicklung wie auch an den Aktien- und Kreditmärkten immer stärker dämpfend wirken. Es kann zusätzlich zu sich selbst verstärkenden Rückkopplungen und damit einem beschleunigten Liquiditätsabbau kommen.

Die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Korrektur an den Aktien- und Kreditmärkten nimmt deshalb deutlich zu, dürfte aber zumindest hinsichtlich des Abwärtspotenzials vorerst noch beschränkt bleiben. Die extrem restriktive Geldpolitik hat auch eine positive Seite und wird die Inflation in absehbarer Zeit deutlich senken. Damit behalten die Notenbanken die Kontrolle (ganz im Gegensatz zu den 1970er-Jahren mit einer eskalierenden Inflationsspirale), und es ermöglicht ein schnelles, stabilisierendes Eingreifen bei allzu starken Marktverwerfungen.

Chart: Geldschöpfung im US-Bankensystem beginnt zu fallen – Einlagen gehen zurück

Quelle   Federal Reserve Bank of St. Louis

Hinweise zu den Tabellen:

Hinweise zu den Tabellen: Änderungen zum Vormonat werden durch ↓ oder ↑ angezeigt. Z.B. bedeutet “O ↓”, dass das Feld im Vormonat mit “+” oder „++“ belegt war. Die genaue Methodologie, d.h. wie die Modellergebnisse berechnet werden und wie die verschiedenen Einzelelemente zur Gesamtsicht beitragen, wird hier erklärt. Bei den Staatsanleihen berücksichtigen wir die wichtigsten Anleihen jeder Region, z.B. Deutsche Bundesanleihen in Europa, sowie eine repräsentative Gruppe von Ländern jeweils in Lateinamerika, Asien ex-Japan und CEEMEA (Zentral- und Osteuropa, Naher Osten und Afrika).

Beat Thoma,
Chief Investment Officer

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