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FischView

Monatliches Update – November 2022


von


Beat Thoma,
Chief Investment Officer

T +41 44 284 24 03

Stressindikatoren senden Warnsignale

Zusammenfassung

  • Die Geldpolitik bleibt global ausserordentlich restriktiv. Wir sehen deshalb steigende Rezessionsrisiken.
  • Der Zinsanstieg bei langfristigen Staatsanleihen dürfte aber durch eine Reihe deflationär wirkender Faktoren zunehmend gebremst werden, insbesondere in den USA. In der Eurozone herrscht aufgrund hoher Staatsverschuldung noch etwas mehr Aufwärtsdruck bei den Zinsen.
  • Verschiedene Stress- und Liquiditätsindikatoren verschlechtern sich aktuell und signalisieren zunehmende Gefahren.
  • Die Zinskurven flachen sich weltweit weiter ab und die Geldmengen fallen schnell. Dies wirkt zwar klar deflationär, ist aber problematisch für die Finanzmärkte und ein Warnsignal für die Konjunktur.
  • Die für die Geldpolitik wichtigen Inflationserwartungen bleiben insgesamt noch auf tiefem Niveau, steigen aber seit kurzem wieder moderat an. Hier sehen wir eine potenziell gefährliche Entwicklung.
  • Die Notenbanken sind trotz deutlicher Anzeichen von Finanzmarktstress aus Glaubwürdigkeitsgründen weiterhin gezwungen, restriktiv zu bleiben.
  • Viel Negatives ist aktuell in den Kursen eingepreist und die Investorenstimmung ist äusserst pessimistisch. Ein schrittweiser Risikoaufbau im Portfolio kann daher bereits jetzt in Betracht gezogen werden. Eine nachhaltige Erholung an den Finanzmärkten erwarten wir allerdings erst nach einem Wechsel der Geldpolitik oder positiven Überraschungen bei der Inflationsentwicklung.

Wesentliche Änderungen gegenüber dem Vormonat

  • Verschiedene Stressindikatoren, darunter der umfassende „National Financial Conditions Index“ (NFCI) in den USA, steigen immer stärker an und liefern damit deutliche Warnsignale für das Finanzsystem. Es besteht die zunehmende Gefahr von „monetären Luftlöchern“, d.h. von temporären Liquiditätsengpässen im Finanzsystem. Dies kann an den Märkten zu heftigen Turbulenzen führen, die sogar ein Eingreifen der Zentralbanken erfordern könnten. Ein erstes Beispiel war kürzlich an den englischen Staatsanleihenmärkten (Gilts) zu beobachten.
  • Auch verschiedene konjunkturelle Frühindikatoren wie beispielsweise die wichtigen „Conference Board Leading Economic Indices“ signalisieren zunehmende Rezessionsgefahren. Die Abflachung der Zinskurven sowohl in den USA (und hier jüngst auch im bisher noch steilen Bereich 3 Monate ggü. 10 Jahren) wie auch in Europa bestätigen jeweils wachsenden konjunkturellen Gegenwind. Schnell fallende Geldmengen und Immobilienpreise sowie nachgebende Rohstoffpreise wirken zusätzlich deflationär. Diese Entwicklung ist eine Folge der äusserst restriktiven Geldpolitik der Fed, wobei sie als Folgewirkung des starken US-Dollars auch andere Zentralbanken zunehmend zu einer Straffung der eigenen Geldpolitik zwingt.
  • Die erwähnte Abflachung der Zinskurvenstruktur ist zwar eine ernsthafte Warnung, allerdings liegt noch kein eigentliches Rezessionssignal (Inversion) vor.
  • Die Inflationsdynamik nimmt weiter leicht ab, allerdings weniger schnell als erhofft. Verschiedene aktuelle deflationäre Entwicklungen (Immobilienmärkte) fliessen erst mit einer Verzögerung in die Statistiken ein (insbesondere in die Kernraten). Trotzdem ist bereits im November ein deutlicher Rückgang auf Jahresbasis aufgrund sehr starker Basiseffekte möglich.
  • Die für die Notenbanken sehr wichtigen Inflationserwartungen bleiben weiterhin auf tiefem Niveau, sind aber vor kurzem wieder leicht angestiegen. Dies könnte zu einem Vertrauensverlust der Marktteilnehmer in die Geldwertstabilität führen und die Notenbanken zu einem noch restriktiveren Kurs zwingen. Die Entwicklung muss hier deshalb genau beobachtet werden.

Aktuelle Lage und Positionierung

  • Aufgrund einer aktuell stark gekrümmten und steilen Phillips-Kurve (Verhältnis Arbeitslosigkeit zu Inflation) dürfte bereits ein moderater Anstieg der Arbeitslosigkeit in den USA zu schnell abnehmendem Inflationsdruck führen. Deshalb ist eine starke Rezession keine notwendige Voraussetzung für die Fed, ihre Inflationsziele zu erreichen.
  • Die Unternehmensgewinne und die Arbeitsmärkte sind sowohl in den USA wie auch Europa immer noch sehr solide. Auch dies dämpft rezessive Tendenzen zumindest teilweise. Ein Soft-Landing in den USA und eine nur milde Rezession in Europa sind deshalb weiterhin ein Szenario mit hoher Wahrscheinlichkeit.
  • Die erwähnten deflationären Faktoren würden insgesamt für eine etwas weniger restriktive Geldpolitik der Zentralbanken sprechen. Sie dämpfen zumindest die langfristigen Zinsen, und ein Ende des Anstiegszyklus zeichnet sich daher ab. Aus Glaubwürdigkeitsgründen bleiben die Fed und EZB aber vorerst auf einem stark restriktiven Kurs. Für die Finanzmärkte und die Konjunktur ist dies weiterhin ein Belastungsfaktor, was auch durch die Frühindikatoren bestätigt wird.
  • Es besteht deshalb weiterhin ein Tauziehen zwischen abnehmender Inflationsdynamik, die eine Lockerung der Geldpolitik erlaubt und übertrieben restriktiven Notenbanken, die eine Rezession und monetäre Luftlöcher begünstigen. Ein Hoffnungsschimmer kam hier vor einigen Tagen, als verschiedene Vertreter der US-Notenbank ihre Besorgnis über zu schnelle Zinserhöhungen ausdrückten.
  • An den Aktien- und Kreditmärkten ist deshalb eine temporäre Erholungsrally jederzeit möglich. Die Marktstimmung ist extrem negativ und viele belastende Faktoren sind in den aktuellen Kursen eingepreist. Allerdings muss für eine langfristige Trendwende zuerst eine offizielle Änderung der Geldpolitik oder klare positive Überraschungen an der Inflationsfront abgewartet werden. Langfristige Opportunitäten zeichnen sich aber immer stärker ab. Trotzdem bleiben wir noch defensiv positioniert.

Themen auf dem Radar

Die nachfolgende Grafik zeigt schematisch den nicht-linearen Zusammenhang zwischen dem Abbau der Bilanz der US-Notenbank und dem Preis für Liquidität (= Stress) im Finanzsystem. Der Verlauf basiert auf den Erfahrungen der Jahre 2018 und 2019 bei der damaligen Bilanzreduktion.

Ganz grundsätzlich entspricht ein Bilanzabbau einer Notenbank dem Verkauf von Staatsanleihen (oder anderen Wertpapieren in der Bilanz) am Markt, was zu einem Liquiditätsentzug führt: Denn die verkauften Staatsanleihen werden mit Bargeld bezahlt, das auf diesem Weg zurück zur Zentralbank fliesst und nicht mehr an den Märkten verfügbar ist.

Ein Bilanzabbau wird auch als Quantitative Tightening (QT) bezeichnet und ist die Umkehrung von Liquiditätsspritzen über ein Quantitative Easing (QE), das in den vergangenen zehn Jahren in extremem Ausmass von der Fed und anderen Zentralbanken durchgeführt wurde.

In der Grafik ist gut zu erkennen, dass zu Beginn des Bilanzabbaus (linker Teil in der Grafik) zunächst kein nennenswerter Anstieg des Marktstresses erfolgt. Der Liquiditätsentzug wird in dieser Phase noch durch private Geldschöpfung im Bankensystem bzw. Reservenabbau kompensiert. Ab einem bestimmten Punkt kommt es aber zu einer schnellen und starken (nicht-linearen) Stresszunahme.

Der jüngste Anstieg verschiedener Stressindikatoren (z.B. NFCI in den USA) deutet nun darauf hin, dass aufgrund des seit April dieses Jahres laufenden Bilanzabbaus der Fed das Finanzsystem sich jetzt dieser kritischen Phase nähert. Der Eintritt in diese Phase würde die Volatilität an den Märkten deutlich erhöhen, aber möglicherweise auch die Fed zu einer Lockerung der Geldpolitik veranlassen.

Chart: Es drohen Liquiditätsengpässe im Finanzsystem

Quelle   Alpine Macro / Fisch Asset Management

Hinweise zu den Tabellen:

Hinweise zu den Tabellen: Änderungen zum Vormonat werden durch ↓ oder ↑ angezeigt. Z.B. bedeutet “O ↓”, dass das Feld im Vormonat mit “+” oder „++“ belegt war. Die genaue Methodologie, d.h. wie die Modellergebnisse berechnet werden und wie die verschiedenen Einzelelemente zur Gesamtsicht beitragen, wird hier erklärt. Bei den Staatsanleihen berücksichtigen wir die wichtigsten Anleihen jeder Region, z.B. Deutsche Bundesanleihen in Europa, sowie eine repräsentative Gruppe von Ländern jeweils in Lateinamerika, Asien ex-Japan und CEEMEA (Zentral- und Osteuropa, Naher Osten und Afrika).

Beat Thoma,
Chief Investment Officer

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